Die Welt unserer Sinne

Aromatischer Kaffee, Gespräche von Kollegen auf dem Gang, eine hohe Raumtemperatur – jede Sekunde verarbeitet unser Gehirn elf Millionen Reize. Verantwortlich dafür sind die Sinnesorgane, über die wir diese Eindrücke aufnehmen. Ein Blick hinter die Kulissen unserer Wahrnehmung.

Wie viele Sinne haben wir?

Wenn wir etwas vorausgeahnt haben, machen wir dafür häufig sprichwörtlich den siebten Sinn verantwortlich. Doch haben wir überhaupt so viele Sinne? Über die genaue Anzahl wird heute viel diskutiert. Der griechische Philosoph Aristoteles definierte vor über 2300 Jahren insgesamt fünf. Wir sehen, hören, riechen, fühlen und schmecken. Was in den Ausführungen Aristoteles’ fehlt, ist der Gleichgewichtssinn, ohne den wir keine räumliche Orientierung und Körperbalance hätten. Neurowissenschaftler sprechen heute deshalb von sechs Sinnen.

Noch deutlich weiter ging der Esoteriker Rudolf Steiner. In seiner 1917 veröffentlichten Sinneslehre unterscheidet er zwischen insgesamt zwölf Sinnen. Neben den fünf Sinnen von Aristoteles geht er darüber hinaus auf Sinne ein, die sich der haptischen Wahrnehmung und der Oberflächensensibilität widmen. Zudem schließt Steiner bei seinen Sinnen noch die menschliche Kommunikation mit ein. Und was ist mit dem siebten Sinn, über den wir im Alltag so häufig sprechen und der fast übernatürlich wirkt? Der gibt der Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Eine Vermutung: Unser Unterbewusstsein registriert Abweichungen von gewohnten Abläufen, Verhalten oder Umwelteindrücken und signalisiert: Vorsicht, etwas ist anders, sei achtsam. Passiert dann tatsächlich etwas, ist unser Eindruck: „Ich habe es kommen sehen“.

Welche Hierarchie haben die Sinne?

Aristoteles hat nicht nur die fünf Sinne definiert – er brachte sie auch in eine Rangfolge. Ganz oben stand für ihn das Sehen. Denn ohne unsere Augen würden wir im Alltag heute im Dunkeln tappen. Verallgemeinern lässt sich diese Rangfolge jedoch nicht. Eine Studie vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen hat gezeigt, dass es vielmehr kulturabhängig ist, welcher Sinn als wichtigster angesehen wird.

Im Rahmen der Untersuchung wurden Teilnehmer aus 20 verschiedenen Kulturen dazu aufgefordert, ihre verschiedenen Sinneseindrücke in Worte zu fassen. Mit unterschiedlichen Ergebnissen: Teilnehmern aus englischsprachigen Kulturen fiel es am leichtesten, ihr Gesehenes in Worte zu fassen. Bei zahlreichen anderen Kulturen wie zum Beispiel den Bewohnern von Laos landete das Geschmackserlebnis ganz oben. Fast allen Teilnehmern gemein waren Schwierigkeiten beim Beschreiben des Geruchs. Eine Ausnahme bildete ein Naturvolk von Jägern und Sammlern aus Australien. Für sie spielt ihre Nase im Alltag eine zentrale Rolle. Entsprechend leicht fiel es ihnen auch, Gerüche zu beschreiben.

Wie verändern sich unsere Sinne im Laufe des Lebens?

Rund 48 Millionen Menschen in Deutschland tragen mindestens gelegentlich eine Brille oder Kontaktlinsen. Auf diese Statistik hat auch unser Alter einen Einfluss. Im Laufe des Lebens verlieren unsere Augenlinsen unter anderem an Elastizität. Das ist der Auslöser dafür, warum Menschen meist ab Mitte 40 zur Lesebrille greifen müssen.

Auch unsere Ohren lassen im Alter nach. Besonders betroffen sind die hohen Frequenzen, die in der Sprache zum Beispiel in Zischlauten wie „F“ und „S“ zum Vorschein kommen. Ähnlich klingende Wörter können dadurch schlechter auseinandergehalten werden und werden von Betroffenen häufig auf eine undeutliche Aussprache ­geschoben. Unser Geschmacks- und Geruchssinn zollen ebenfalls dem Alter Tribut. Dadurch, dass die Zahl der Geschmacksknospen abnimmt, fällt es uns im Alter schwerer, salzige, bittere und saure Geschmäcker wahrzunehmen. Lediglich der süße Geschmack bleibt uns weitestgehend erhalten.