StartseiteService & SupportProspekte & FachmagazinePROconceptPer Zoom gegen die Sehnsucht nach Kontakt

Per Zoom gegen die Sehnsucht nach Kontakt

Eine Frau putzt ein Geländer.

Hohe Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter und Isolation für die Bewohner – Corona trifft die Pflegeeinrichtungen hart. Aber es gibt auch Nebeneffekte: Plötzlich sind Tablets bei den Senioren angesagt. Und Videotelefonie Alltag.

Es gibt Tage im Berufsleben, die vergisst man nicht. Für Doris Czok, Hauswirtschaftsleitung im Pflegeheim Haus Wartburg, ist es der Tag kurz vor dem offiziellen Corona-Lockdown der Bundesrepublik Deutschland, an dem die Heimleitung beschließt: „Wir machen zu, um unsere Bewohner zu schützen.“ Plötzlich spielen sich unwirkliche Szenen ab. Familien stehen sich gegenüber. Getrennt durch eine Scheibe. Die Seniorinnen und Senioren winken ihren Angehörigen zu – Töchtern, Söhnen, Enkeln. Mehr ist nicht gestattet. Jetzt ist klar: Wir sind in einer Ausnahmesituation.

Es sollte das Jahr der Jubiläen sein. Das Haus Wartburg plante anlässlich des 60-jährigen Bestehens ein großes Sommerfest. Doris Czok steht seit 15 Jahren im Dienst der Pflegeeinrichtung. An Feiern ist nicht zu denken. Die Hauswirtschaftsleitung: „Das war surreal. Auf diese Situation ist niemand vorbereitet. Ich wusste sofort: Jetzt kommt es auf mein Team an.“

Digitale Streich(el)einheiten

Gerade der Beginn der Corona-Pandemie hält Doris Czok in Atem. Im Landkreis geschieht das, was nicht passieren soll: In einem Pflegeheim infizieren sich Mitarbeiter und Bewohner mit COVID-19. 50 Menschen sterben an dem Virus. Das Pflegezentrum Wartburg stellt sich gegen Corona auf. Doris Czok ist auch für die Lagerbestände zuständig. Jeder Schutzkittel, jede Maske zählt jetzt. Aber schnell kommt die Ernüchterung: Der Markt ist leer gefegt. Es gibt Engpässe bei der Lieferung. Die Preise für die Materialien schnellen in die Höhe. Ein Paket Nitril- Handschuhe, das normalerweise 5,20 Euro kostet, liegt nun bei 14 Euro.

Improvisation ist gefragt: Menschen aus der Gemeinde nähen Masken. Besser als nichts. Die Leiterin hält zu Beginn tägliche Meetings mit ihren Mitarbeitern ab. Sie erzählt: „Es kam jeden Tag eine neue Verordnung. Kommunikation hatte daher für uns oberste Priorität. Ich wollte zudem nah dran sein und sicherstellen, dass alle mit dem Druck umgehen können.“

Eine Person legt ein Shirt auf einen Schreibtisch.

Lichtblicke in dunklen Zeiten

Das Team bleibt besonnen und greift auf seine Expertise zurück. „Wir haben das Hygienesiegel, 2. Stufe, und sind auf Extremfälle, wie beispielsweise einen MRSA-Keim, vorbereitet. Wir wissen, welche Maßnahmen und Prozesse greifen. Das hat uns Sicherheit gegeben“, berichtet Doris Czok. Aber die Belastung ist hoch, vor allem die Wegezeiten. Ständige Desinfektion von Kontaktflächen, Dokumentation. Und immer im Hinterkopf: Corona ist da draußen und eine kontinuierliche Gefahr für die Einrichtung.

Und der Heimalltag? Ist ein anderer. Keine Besucher, die meisten Angebote für die Bewohner entfallen. Der Speiseraum wird auf zwei Räume verteilt, die Tische auseinandergeschoben. Das Gesellige geht verloren. Aber es gibt einen Lichtblick: Dank einer Spende wird die Einrichtung mit Tablets ausgestattet. Doris Czok erinnert sich: „Unsere Alltagsbegleiter haben den Senioren gezeigt, wie Videotelefonie funktioniert. Eine Bewohnerin war gerührt, dass sie sich mithilfe dieses flachen Geräts ins Wohnzimmer ihrer Tochter schalten kann. Die Nachfrage nach Nutzungszeiten explodierte förmlich.“ Kein Wunder: Die Technik beugt Einsamkeit vor. Inzwischen können einige der „Silver-Surfer“ Videotools wie „Zoom“ sogar selbstständig bedienen.

Stille Helden, die Unterhemden streicheln

Die Isolation schärft auch die Sinne. Ausgerechnet in die Pandemie fällt die Modernisierung der Küche des Pflegeheims. Durch die Arbeiten an den Wasserleitungen und Bauschmutz muss das Hauswirtschafts-Team die Wäsche extern waschen lassen. „Die Qualität der Wäsche ist einfach anders. Wir streicheln die Unterhemden beim Bügeln noch mal extra mit der Hand. Das macht den Unterschied.“ Und den haben auch die Bewohner bemerkt. Seit Kurzem wird im Pflegeheim Haus Wartburg wieder selber gewaschen. Und die Bewohner sind voll des Lobes. Wäsche ist ein Stück Lebensgefühl, weiß auch die Hauswirtschaftsleitung: „Die Rückmeldung zeigt uns, dass wir einen wichtigen Beitrag leisten. Und überhaupt: Pflege geht immer mit Hygiene einher. Wir würden uns wünschen, dass dieser Umstand in der Corona-Diskussion genauso Anerkennung findet wie die Leistungen der Pflegekräfte.“ Ein wichtiger Denkanstoß in einer denkwürdigen Zeit.