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Roboter schaffen Räume für individuelle Pflege

Aufnahme eines Roboters mit integriertem Bildschirm.

Sind Roboter die Zukunft der Pflege? Felix Carros, Wissenschaftler an der Universität Siegen, sagt: Der Hype um Roboter ist groß, doch sie werden überschätzt. Seine Erfahrungen mit sozial-interaktiven Robotern in Pflegeeinrichtungen zeigen vielmehr: Roboter sind eine Ergänzung zum menschlichen Kontakt. Und können den Alltag der Pflegekräfte perspektivisch erleichtern. Sie aber keineswegs ersetzen.

Was leisten Roboter im Pflegekontext genau? Welche Typen von Robotern gibt es?

Das ist sehr unterschiedlich. Ich arbeite beispielsweise mit einem sozialen Roboter, der versucht in die Interaktion mit seinem Gegenüber zu gehen. Dann gibt es den Bereich der sogenannten Telepräsenz: Der Roboter ist dann zum Beispiel eine Stange auf Rädern und oben ist ein Tablet angebracht. Gerade in Corona-Zeiten macht das Sinn. Der Roboter kann helfen, Kontakt nach außen herzustellen, etwa zu Ärzten oder Angehörigen. Vorstellbar ist aber auch ein Transportroboter, der eine Wäschetrommel oder Essen transportiert.

Das klingt vielversprechend. Wo ist der Haken?

Es handelt sich bei allen Robotern um Insellösungen. Die Roboter sind spezialisiert und können eine Aufgabe erledigen, aber es gibt keinen, der alles kann. Die Frage ist: Macht das Sinn? Und: Ist das wirtschaftlich? Ein Beispiel aus Japan, der Robo-Bear, der Menschen beim Aufstehen hilft, zeigt: Durch die niedrigen Stückzahlen sind die Roboter in der Anschaffung sehr teuer.

Was ist die Aufgabe des Roboter-Typs, den Sie programmiert haben?

Unser Roboter wird in der Prävention eingesetzt. Er animiert die Seniorinnen und Senioren beispielsweise dazu, Sportübungen zu machen. Er spielt Musik ab, führt die Bewegungen vor und fordert dazu auf, mitzumachen. So kann er eine Gruppe von bis zu zehn Senioren anleiten. Auch einfaches kognitives Training ist vorstellbar. Zum Beispiel eine Form des Memory für Demenzkranke durchführen. Oder gemeinsam mit ihnen Lieder singen.

Ein älterer Herr tippt auf dem Bildschirm eines Roboters.

Wird der Roboter von den Pflegeheimbewohnern akzeptiert?

Es ist noch zu früh, das abschließend zu sagen. Aber es scheint, als wäre eine Bindung zwischen Menschen und Robotern möglich. Ein Beispiel: In einem Pflegeheim mussten wir nach einiger Zeit einen Roboter austauschen. Und wir haben schnell gemerkt: Die Bewohner wollten keinen anderen Roboter, sondern „ihre Paula“ – so wurde sie dort getauft – behalten. Der Roboter war für die Heimbewohner nicht einfach so ersetzbar.

Wie nützlich sind die Roboter für die Pflegekräfte?

Ich führe derzeit eine Studie zu diesem Thema durch. Wir stellen Pflegekräften Roboter zur Verfügung und sie bestimmen selbst, wo sie die Roboter einsetzen. Nur so wird der Roboter wirklich zu einem Instrument der Pflege beziehungsweise des sozialen Dienstes. Und nur so kriegen wir nachhaltige Ergebnisse.

Was können Roboter in der Pflege Ihrer Meinung nach bewirken? Gibt es eine Tendenz?

Wir bemerken, dass die Robotoer durchaus als nützlich betrachtet werden. Aber dass es auch ein Prozess ist. Schon die Information, dass ein Roboter getestet werden soll, löst oft Angst um den eigenen Arbeitsplatz aus. Wenn die Mitarbeiter den Roboter dann kennenlernen und sehen, wie er eingesetzt wird, ändert sich das Bild relativ schnell: „Der ist gar nicht so intelligent und kann meinen Job auch nicht machen. Aber er kann mir Zeit verschaffen.“ Zeit, um individuell auf eine Person einzugehen. Unsere Daten stützen den Eindruck: Es gibt durch unseren sozial-interagierenden Roboter keine Zeitersparnisse. Vielmehr ist er ein zusätzliches Angebot, das Räume für individuellere Pflege schafft. Ziel für die Zukunft muss es sein, dass Roboter effektiver eingesetzt werden. Etwa wenn sie, ausgestattet mit einer guten Navigation, Angehörige zum Bewohnerzimmer führen, damit es nicht die Pflegekraft tun muss. Das wäre dann eine echte Entlastung.

Über den Autor

Felix Carros arbeitet an der Universität Siegen am Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien. Sein Forschungsschwerpunkt: die Anwendung der sozial-interaktiven Robotik im Pflegekontext. Im stetigen Austausch mit Pflegerinnen und Pflegern ist es sein Ziel, die bestmöglichen Einsatzgebiete für die Roboter zu finden.