Wussten Sie schon, dass...

Porträt von Prof. Dr. Günter Kampf, Facharzt für Hygiene.

... die meisten Bakterien für den Menschen völlig harmlos und Viren gegenüber Antibiotika unempfindlich sind? Der Facharzt für Hygiene, Prof. Dr. Günter Kampf, klärt über Mikroorganismen und ihre Wirkungen auf.

Ist es normal, sich zwei- bis dreimal im Jahr mit einem Grippevirus anzustecken?

Das kann passieren, ist aber die Ausnahme. Wenn man sich mit einem bestimmten Grippevirus angesteckt hat, bildet der Körper genau gegen dieses Virus Antikörper. Wenn man nach der Ausheilung aber mit einem anderen Grippevirus in Kontakt kommt, hat der Körper womöglich keine Antikörper gegen dieses andere Virus. Daher kann es tatsächlich dazu kommen, dass man nicht nur einmal pro Jahr an einer Virusgrippe erkrankt.

Was passiert im menschlichen Körper, wenn man sich mit einem Virus oder einem Bakterium infiziert hat?

Meist wird das Bakterium bzw. das Virus vom menschlichen Körper als fremd erkannt. In der Folge beginnt das Immunsystem, spezifische, also auf das spezielle Bakterium bzw. Virus ausgerichtete Antikörper zu bilden. Parallel dazu wird die Immunantwort über bestimmte Abwehrzellen angeregt. Beides trägt dazu bei, den Eindringling abzuwehren und damit den Körper so gut es geht zu schützen.

Was ist der Unterschied zwischen Viren und Bakterien?

Viren sind teilweise infektiöse, gegenüber Antibiotika unempfindliche Partikel. Sie sind deutlich kleiner als Bakterien, besitzen keinen eigenen Stoffwechsel, benötigen immer eine Wirtszelle, um sich zu vermehren. Bakterien hingegen sind einzellige Mikroorganismen, die nicht auf einen Wirt angewiesen sind. Die meisten Bakterien sind für den Menschen völlig harmlos und sogar ausgesprochen wichtig. Dazu zählen die Darmbakterien, die zu einer Zersetzung der Nahrung führen. Viele dieser Bakterien sind empfindlich gegenüber Antibiotika, die zur Behandlung von bakteriellen Infektionen angewendet werden können.

Wie schnell kann man sich anstecken?

Das kann sehr schnell gehen. Wenn der Infektionserreger in ausreichend großer Anzahl „erfolgreich“ übertragen wurde, beginnt die Inkubationszeit, in der sich die Infektion entwickelt. Bei Noroviren kann der Brechdurchfall schon nach einigen Stunden eintreten. Bei der Virusgrippe dauert es bis zum Auftreten der ersten Symptome meist nur wenige Tage.

Wie werden Viren bzw. Bakterien übertragen?

Viren oder Bakterien, die Infektionen auslösen, werden oft über direkte Kontakte übertragen. Wenn  in einem 5-Personen-Haushalt ein Bewohner mit einer Erkältungskrankheit oder einer Virusgruppe lebt, kann es über ausgehustete virenhaltige Tröpfchen oder einen Händekontakt zur direkten Übertragung der Viren auf die Schleimhäute oder Hände der gesunden Mitbewohner kommen. Der zweithäufigste Übertragungsweg ist der indirekte Kontakt. Dabei wird ein Gegenstand oder eine Fläche kontaminiert, zum Beispiel der Nachttisch beim Husten oder die Toilettenbrille beim Durchfall. Durch eine Berührung der kontaminierten Fläche mit den Händen gesunder Bewohner oder Mitarbeiter kann der Infektionserreger ebenso übertragen werden.

Kann man sich auch mit dem Norovirus öfter anstecken?

Nach einer Norovirusinfektion hat man nur kurzzeitig eine Immunität gegenüber dem Virus. Auch bei den Noroviren gibt es eine große Variabilität des Genoms. So sind zum heutigen Stand fünf Genogruppen bekannt, von denen zwei dieser Genogruppen in wenigstens 20 Genotypen aufgeschlüsselt werden können. Es ist daher davon auszugehen, dass man sich durchaus mehrmals pro Jahr mit unterschiedlichen Noroviren anstecken kann.

Wie wird man die Erreger wieder los?

Das geht meist von allein, indem die körpereigene Abwehr den Erreger bekämpft. Der Körper hat sogar eigene Fresszellen, die körperfremde  Bestandteile biologisch entsorgen. Bei Viren des Magen-Darm-Trakts, wie Noroviren, kann es jedoch länger dauern, bis keine Noroviren mehr mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Das kann bis zu 60 Tage andauern. Deshalb ist es besonders nach einer überstandenen Norovirusinfektion wichtig, die Basishygiene einzuhalten, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Dazu zählt besonders das gründliche Waschen der Hände nach dem Toilettengang. Diese Empfehlung gilt für alle Mitarbeiter.

Führen Antibiotika-Resistenzen dazu, dass die Menschen sich heute häufiger mit Mikroorganismen infizieren?

Zunächst zu den Viren: Auf die Häufigkeit von Virusinfektionen haben Antibiotika-Resistenzen ohnehin keinen Einfluss, denn Antibiotika sind nicht gegenüber Viren wirksam. Dann bleiben noch die Bakterien. 

Betrachtet man dann die im Krankenhaus erworbenen Infektionen, so kann für Deutschland festgestellt werden, dass die Infektionsrate mit circa 3,5 Prozent seit 20 Jahren unverändert niedrig ist. Auch aus Pflegeheimen liegen vereinzelt Zahlen vor. Je nach Land fanden sich Raten zwischen 1,6 und 3,6 Prozent. Auch wenn die Infektionsraten insgesamt recht niedrig sind, so wird doch seit einigen Jahren mit Sorge beobachtet, dass der Anteil der Bakterien mit einer Multiresistenz gegenüber Antibiotika zunimmt. Infektionen durch multiresistente Bakterien sind nicht grundsätzlich leichter übertragbar. Im Falle einer Infektion ist diese jedoch schwieriger behandelbar. Manchmal muss auf Reserveantibiotika zurückgegriffen werden, die schlechter verträglich sind. Im schlimmsten Fall ist kein Antibiotikum mehr wirksam. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Antibiotika-Resistenzen nicht zu häufigeren Infektionen führen, aber sehr wohl zu einer erschwerten antibiotischen Behandlung einer Infektion.

Wie kann man sich im Altenpflegeheim am besten vor einer Infektion schützen?

Das hängt davon ab, um welche Infektion es sich handelt, von wem sie ausgeht und wie sie typischerweise übertragen wird. Zwei Beispiele: Ein Mitarbeiter hat Anzeichen einer Virusgrippe und kommt weiter zum Dienst, da der Stellenschlüssel ohnehin zu eng ist. Durch Husten und Schnupfen kann nun das Virus über virushaltige Tröpfchen auf andere Mitarbeiter, Bewohner und Flächen übertragen werden. Der beste Schutz ist hier, mit einer übertragbaren Infektion nicht zum Dienst zu kommen, um die Kollegen bzw. Bewohner nicht zu gefährden. Ein anderes Beispiel ist die Norovirus-Infektion eines Bewohners. Hier ist akribisch darauf zu achten, dass der Bewohner nach Möglichkeit nur die eigene Toilette benutzt. Zur Desinfektion der Hände und kontaminierten Flächen sind bei Noroviren nur Präparate zu verwenden, die eine nachgewiesene Wirksamkeit gegenüber Noroviren aufweisen (begrenzt viruzid plus). Und bei absehbarem Kontakt mit kontaminiertem Material ist die persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter wichtig, um eine eigene Kontamination zu verhindern.

Prof. Dr. Günter Kampf ist Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und apl. Professor für Hygiene und Umweltmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Greifswald. Er ist Herausgeber des Fachbuchs »Kompendium Händehygiene« und hat in vielen internationalen Fachzeitschriften Aufsätze zu Themen der Hygiene publiziert. Mehr Infos unter: www.guenter-kampf-hygiene.de